Linda Lezius. Wild&Root. Berlin.

Linda Lezius, Wild & Root: Foodlab und Event Agency Berlin.
Ein Portrait von Monika Ebert ©Bild©Text.

FEMAEMAKERS: Mit Fragen – ob poetisch, ernst oder humorvoll – animiert die Food-Designerin Linda Lezius ihre Gäste auf Events von Wild & Root zur Kommunikation.

 

FOOD. IMPACT. EMPOWERMENT.

Die Welt des Essens steckt für Linda Lezius voll unzähliger Möglichkeiten für ihre Kreationen und Konzepte. Sie ist begeistert von der Vielfalt der Themen, die in unserer Nahrung steckt und gleichzeitig fasziniert von der kommunikativen Funktion unserer Mahlzeiten. Mit beidem inszeniert die ausgebildete Designerin interaktive Food-Events in und um Berlin für unterschiedlichste Zielgruppen. Dabei sind Geschmack, Wertschätzung, Herkunft und Produktion von Lebensmitteln die zentralen Anker ihrer Arbeit bei Wild & Root, eines der innovativsten Berliner Food-Event-Labs, das Linda Lezius 2014 gründete.
In den Anfängen von Wild & Root, damals noch mit einer Kommilitonin im Boot, ist Linda Lezius seit 2015 alleinige Geschäftsführerin und Kreativchefin des Food-Event-Labs. In einem Netzwerk von anderen Kreativen, Köchen und Partnern ist sie mit ihrem Business etabliert und eine feste Größe in der Berliner Food-Szene. „Wild & Root funktioniert eher als Kollektiv“ sagt sie. Gemeinsam mit diesem Kollektiv designt, organisiert und realisiert Linda Lezius ein facettenreiches Angebot maßgeschneiderter Food-Dienstleistungen: vom BtoB-Workshop für Regionalmarken über Team-Building-Veranstaltungen und interaktive Lernformte bis zum Dinner-Event. Nebenbei ist sie auch noch Dozentin für Food Culture.

 
 

WILDE WURZELN.

Das Leben von Linda Lezius war bis zu ihrem 19. Geburtstag 2008 und dem Umzug nach Berlin im gleichen Jahr geprägt vom Bauernhof ihrer Eltern in der Lüneburger Heide. Dieser Hof ist bereits seit dem 11. Jahrhundert in Familienbesitz, ihre Eltern beide ausgebildete Landwirte. Die Kinder, Linda und ihr Bruder, halfen schon früh bei der Ernte mit, sahen beim Schlachten zu oder verkauften am Marktstand. Das hat Linda Lezius´ Bewusstsein für Saison, Qualität, Herstellung sowie den Geschmack guter Produkte und deren Wertschätzung geprägt. Linda Lezius brachte aus ihrer Kindheit und Jugend auf dem Land etwas Wichtiges in die Stadt: 19 Jahre Erfahrungswissen über Nahrungsmittel, Essen und Landwirtschaft. Darauf baute sie ihr Business auf. Diese Erfahrungen und das damit verbundene Know-how trägt sie auch in ihre Events, wie z.B. das nachhaltige Wirtschaften. Zu Hause wurde Gemüse mit Macken, das auf dem Markt übrig blieb, später in der eigenen Küche zu köstlichem Essen verarbeitet. Alle Schätze der Natur zu verwerten, ist ihr bis heute sehr wichtig. Die Kreative arbeitet im Rahmen ihrer Events ausschließlich mit regionalen und saisonalen Produkten, die keine weiten Wege zurücklegen und einen Bezug zu Ort und Region haben. Ein Event hat bei ihr möglichst keinen Abfall, was sie unter anderem durch die Verwertung aller Produktteile in ihren Food-Kreationen erreicht.

 
 

Master. Fläche. Aufbruch.

Zunächst absolvierte die Kreative ein Studium in Textil- und Flächendesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und schloss es mit einem Master ab, das war 2014.
Im Rahmen eines Studienprojektes im gleichen Jahr kam die damalige Studentin mit dem Thema Regionalentwicklung in Berührung. Gemeinsam mit einigen Kommiliton*innen entwickelte sie eine Reihe interaktiver Events, um die Region Lausitz und deren Nahrungsschätze wieder ins Bewusstsein – nicht nur der Gäste – zu bringen. „Es gibt dort so viele einzigartige Lebensmittel, aber niemand sah den Wert. Die Region musste sich nicht neu erfinden, nur neu auf ihren Reichtum blicken“, sagt Linda Lezius. Das junge Design-Team wollte mit seinem Konzept einen Perspektivwechsel initiieren.

 
 

Bei ihren ersten Events in einem Nutzgarten in der Lausitz inszenierten die Designer*innen mit interaktiven Food-Installationen Produkte der Region – gestaltet als Erlebnis-Parcours. Es gab Stationen, an denen die Teilnehmer*innen Ziegenkäsebällchen drehen, oder die Wirkung heimischer Heilkräuter gemeinsam erleben konnten. Im Zentrum des Parcours stand ein Tisch ohne Stühle, um das Publikum zur Erkundung des Gartens und zur Kommunikation zu animieren. „Das Projekt war wie eine Initialzündung für Wild & Root“, sagt Linda Lezius. Idee und Ziel ihrer Agentur gingen aus diesen Events hervor. Linda Lezius wollte diese interaktiven und kommunikativen Food-Erlebnisse in die Stadt bringen. Der Transfer beinhaltete wechselnde und wachsende Formate wie Supperclubs, Caterings und damals die Zusammenarbeit mit dem Contemporary Foodlab Berlin, das sich als „creative hub and incubator in the area of food and hospitality” sieht. Anfangs waren die Auftraggeber*innen von Wild & Root meist Unternehmen, die selbst mit Food zu tun hatten. Später kamen immer mehr Anfragen von Kommunikationsagenturen oder food-fremden Firmen wie beispielsweise auch Banken und Versicherungen. Für diese Firmen konzipierte Linda Lezius unter anderem Team-Building-Veranstaltungen, in deren Zentrum die gemeinsame Zubereitung eines Essens stand. Gespickt werden ihre Konzepte immer mit interaktiver Wissensvermittlung über lokale Speisen, Produkte und ihre Herstellung. Profitabel war Wild & Root von Beginn an, so die Geschäftsführerin und leitende Kreative.

 

FEMALE MAKERS: Wild&Root Streichhölzer zum Anzünden von getrocknetem Rosmarin nach dem Essen. Rosmarin hilft der Verdauung und klärt die Luft. Früher wurde das Kraut als eine günstige Alternative zu Weihrauch benutzt.

 

Neue Triebe.

Linda Lezius wollte sich nach dieser ersten Phase von Wild & Root weiter entwickeln: „Einen interaktiven, positiven Abend mit eher kleinen Lerneffekten für die Teilnehmer zu gestalten, war irgendwann zu schmal und unerfüllend“, sagt sie, “auch das hat natürlich seine Berechtigung“. In ihren Augen war das aber „zu viel Entertainment“.
Linda Lezius suchte nach neuen Ufern für sich persönlich wie für ihr Business und entdeckte (erneut) ihr Interesse an der Regionalentwicklung. Sie wollte mehr auf dem Land und in der Region aktiv sein. „Wieder mehr raus, mehr in die Natur. Ich will mehr mit den Leuten arbeiten, die Produkte herstellen. In Berlin ist sowieso zu viel los, zu viele Events, und jeder macht dann irgendwann doch das Gleiche.“ So begann Linda Lezius B2B-Events in der Region zu gestalten. Auch in der Ernährungsbildung sah sie großen Bedarf für neue Konzepte und realisierte zahlreiche Lern-Events für Kinder, zum Beispiel für den Solanum e.V. in Rheinsberg. In der Berliner Region hält sie Vorträge, gibt Workshops und entwickelt unter anderem regionale Dinner-Konzepte für B2B-Klienten wie Gastronomen*innen, Restaurantleiter*innen oder Unternehmer*innen im Ferientourismus. Auf diesen Veranstaltungen vermittelt die Designerin, wie man mit Events Menschen für Lebensmittel begeistern kann, sie zeigt neue Möglichkeiten zur besseren Vernetzung der Unternehmen untereinander oder sie lehrt, wie man den avisierten Zielgruppen die unternehmenseigene „Story“ prägnant und erfolgreich erzählt.
Linda Lezius` Fokus bei all ihren Arbeiten ist immer „Empowerment“ zu geben, wie sie es nennt. Egal ob alt oder jung, ob Produzenten*innen-Profi oder Genuss-Laie – in einem Workshop von Wild & Root sollen Teilnehmer*innen befähigt werden, danach zu Hause etwas anders zu machen oder anders zu sehen: Lebensmittel wieder mehr wertschätzen, die Verbindung zur Herkunft der Zutaten herstellen, gesund, kreativ kochen und essen, sich mit anderen darüber austauschen. Sie will mit ihrer Arbeit etwas schaffen, das weiter geht als interaktives Food-Entertainment, etwas, das „mehr Impact“, also mehr Wirkung hat, so die Kreative.

 
 

Zwischen Herzensthemen und Wirtschaftlichkeit.

Auf die Frage, was die größten Herausforderungen der letzten Jahre für sie als Unternehmerin waren, beschreibt Linda Lezius, dass Themen, die Spaß machen und deren Inhalte ihr besonders wichtig sind, meist keine Budgets haben – beispielsweise die Arbeit mit Kindern. Oder aber es müssen für thematisch spannende Projekte mit hohem bürokratischem Aufwand Fördergelder beantragt werden – die zudem auch oft nicht ausreichend ausfallen. Caterings, Team-Building-Workshops, große kulinarische Events, all das hat natürlich auch seine Berechtigung und kann spannend sein, meint sie. Die Schwierigkeit bestand und besteht immer wieder darin, eine gesunde persönliche, kreative wie wirtschaftliche Balance zu gestalten: zwischen rentablen Projekten und der Realisierung von Ideen, die ihr am Herzen liegen. Zwischen innovativen und gängigen Formaten.

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Tipps für Gründer*innen

„Sich ein Netzwerk an Menschen aufbauen, die bereits den Weg gegangen sind und die Inspiration und Ratschläge bei Herausforderungen geben können“, das rät Linda Lezius Gründer*innen aller Branchen. „Keine Angst davor haben, zu fragen und Hilfe anzunehmen. Und trotzdem unter allen Stimmen von außen die innere am wichtigsten zu nehmen und seinen eigenen Weg zu gehen.“ Letzteres sei für sie zentral gewesen, sagt sie.

Zurück zu den Wurzeln.

Linda Lezius wird in nächster Zeit den Hof der Eltern in der Lüneburger Heide übernehmen, also wieder zurück aufs Land ziehen. Der eigene Weg zu dieser Entscheidung war länger, meint sie. Dadurch, dass der Hof und die Ländereien schon so lange in Familienbesitz sind, lag auch ein gewisser Druck auf den Geschwistern, bestätigt sie. Wie sich der Hof nach ihrer Übernahme genau entwickeln wird, ist noch offen. „Es fühlt sich gut an, der Idee zu folgen, an einem Ort zu sein und dort etwas aufzubauen”, sagt sie. Sie möchte dort aber nicht das Leben ihrer Eltern nachleben, sondern ihre eigenen Wild & Root-Ideen und -Projekte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten verwirklichen. Natürlich gibt es auch das Quantum Angst, das, was sie hier in Berlin aufgebaut hat, zu verlassen: Business, Freundeskreis, Inspiration durch kreative Menschen aus dem Netzwerk, Projektpartner*innen, Kunden*innen. Es wird sicher eine längere Phase des Übergangs in dieses neue, aber auch altbekannte Leben geben, so Linda Lezius. Mit Spannung bleibt zu erwarten, was die Food-Unternehmerin mit ihrer kreativen Power und ihrem Know-how auf dem eigenen Hof in Zukunft an innovativen Ideen und Formaten entwickeln wird. Und es bleibt sehr zu hoffen, dass sie einige davon auch wieder zurück in die Stadt bringt.

FEALE MAKERS: Mit dem “Desserthammer” müssen Gäste ihr Karamell Dessert gemeinsam zerschlagen.

Wild & Root-Soulfood:
Apple Crumble mit Vanilleeis

• 5-6 Äpfel oder anderes saisonales Obst, z.B. Pflaume, Rhabarber, Beeren oder Kombinationen
• Mehl – gerne eine Mischung aus Weizen und Dinkel
• Haferflocken
• Butter
• Zimt, Kardamom, Salz, brauner Zucker
• Wer mag. auch Kokosraspel.

„Eins meiner absoluten Lieblingsrezepte. Ich bin eigentlich gar kein Dessert-Fan, aber bei Apple Crumble mit Vanilleeis kann ich nicht nein sagen. Äpfel waschen, entkernen und in Spalten schneiden. Den Boden der eingefetteten Backform mit den Äpfeln bedecken. In einer Schale die restlichen Zutaten mit den Händen verkneten. Ich benutze nie Mengenangaben, sondern verlasse mich auf Augen, Mund und Hände. Wenn sich die Masse crumblig genug anfühlt und mir schmeckt, kommen die Teigkrümel über die Äpfel und dann ab in den vorgeheizten Ofen. Bei 180 Grad Umluft mindestens 30-40 Minuten backen. Ich hole den Apple Crumble aus dem Ofen, wenn mir die Farbe gefällt. Kurz abkühlen lassen und anschließend mit Vanilleeis und einer Runde guter Freunde essen. Das beste Ende eines Tages.“

www.wildandroot.com

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